Drachengeschichtlich bedeutsame Stätten in Deutschland:

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Davon gibt es in Deutschland nicht viel. Eine davon ist aber mit Sicherheit Lindenberg, südöstlich von Berlin zwischen den märkischen Dörfern Beeskow und Storkow gelegen.

Am 1. August 1919 wurde hier der immer noch heute gültige Höhenweltrekord einer Drachenkette erreicht. Mit Hilfe von acht hintereinander gespannten Schirmkastendrachen wurde eine Höhe von mindestens 9740m erreicht. Der Aufstieg dauerte von 6.26 Uhr morgens bis 12.11 Uhr mittags. Der erste Drachen hatte ca. 10qm Fläche, der zweite 5qm und die restlichen sechs Drachen jeweils 8qm Fläche. Insgesamt waren 15 km Draht in der Luft.

Die Schirmdrachen waren von der Segelform her im Prinzip Hargrave-Kastendrachen, mit allerdings völlig anderem Gestänge. Die hintere Zelle war, je nach Ausführung, gleich groß oder kleiner als die vordere Zelle. Weitergehende Informationen finden sich u.a. in dem Buch von W.Schmidt/W. Diem: Drachen mit Geschichte.

Die nachfolgenden Fotos wurden von mir 1995 anläßlich eines Tags Der Offenen Tür des Observatoriums in Lindenberg gemacht. Einige Fotos habe ich schon zusammen mit einem Erfahrungsbericht in der FANG DEN WIND (Clubzeitung des DCB) Nr. 36 - 4/95 veröffentlicht. Die ausgestellten Drachen wurden von Werner Schmidt teilweise aus Originalteilen gebaut. Da an diesem Tage ein sehr bedeckter Himmel mit schlechten Lichtverhältnissen herrschte und ich unterwegs einen wahrscheinlich überlagerten Farbfilm erwarb, bitte ich die flaue Qualität der Fotos zu entschuldigen.

Tag der Offenen Tür Lindenberg 1995Die Ballonhalle

Werner Schmidt zeigt vor der historischen Kulisse des Lindenberger Windenhäuschen links den aus Originalteilen restaurierten GRUND-Regulierdrachen. Rechts ein nach Originalplänen gebauter CODY-War Kite aus Baumwolle und Bambusstäben. Hinter dem Fotografen befindet sich die ebenfalls naturgetreu aufgebaute Ballonhalle (rechtes Bild). Rechts im Hintergrund der letzte der fünf ehemaligen Funktürme (90m hoch), mit denen während des 2. Weltkrieges Wetterberichte bis nach Norwegen gefunkt wurden.

Das Windenhäuschen in Lindenberg Windenhäuschen mit meteorologischen Antennen

Das Lindenberger Windenhäuschen: Der Aufbau war je nach Windrichtung drehbar. Am Mast ein Wetterballon des heutigen Observatoriums. Rechts Antennenwälder des heutigen Wetterobservatoriums. Im rechten Bild ist vorne die gewaltige immer noch voll funktionsfähige Azimuth-Umlenkrolle zu erkennen, über die der Fesseldraht des Drachens mit der Winde verbunden war. U.a. wegen der vielen Messgeräte ist das Gelände nicht mehr frei zugänglich.

Die MotorwindeWindenarmaturen

Im Innern des Windenhäuschens: die Winde. Angetrieben von einem 200V Gleichstrommotor, in der Mitte oben mit halbkreisförmiger Skala ein Dynamometer, mit der die Zugkraft des Drachens überwacht werden konnte. Das runde Anzeigeinstrument diente zur Messung der Einhol-Auslassgeschwindigkeit des Fesseldrahtes (maximal 8m/s). Die großen Stellräder bedienten die Bremsen.

GRUND-DrachenFunkturm und Gasbehälter

Auf dem Bild links sind zwei GRUND-Regulierdrachen zu sehen. Diese wurden in den dreißiger und vierziger Jahren zur Sammlung von meteorologischen Daten verwendet; einige Exemplare kamen auf eine Gesamtsegelfläche von 64 qm. Rechts ist der letzte der ehemals 90m hohen Funktürme zu sehen. Am Fuße des Turmes die Reste des Gasometers. Dort wurde der an Ort und Stelle durch Elektrolyse von Wasser erzeugte Wasserstoff, der früher hauptsächlich als Ballonfüllung diente, gespeichert. Heute wird zwar bei größeren Ballons aus Sicherheitsgründen das unbrennbare Helium verwendet, bei normalen Wetterballons wird jedoch heute noch aus Kostengründen in Lindenberg Wasserstoff benutzt, das jetzt allerdings in modernen Tanks hinter der Ballonhalle lagert.

Derzeitig dürfen übrigens Ballons bis in eine Höhe von 1000m in Lindenberg aufgelassen werden.

Weitere Informationen über das Meteorologische Observatorium Lindenberg (MOL) gibt es hier.
Literaturhinweise:

©1997 Thomas-Michael Rudolph