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Kite Fliers Meeting Fanø 19.6.-21.6.98
So wenig Zeit, so viele Drachen!
"Na, wie war's denn in Fanø?"
Auf diese Frage von bedauernswerten Daheimgebliebenen antworte ich meistens mit: "Gut, wie immer!"
Neuerdings schwingt in meiner Antwort dann unbeabsichtigt immer so ein gelangweilter Unterton mit.
Das ist leider der Lauf der Zeit. Auf Reizüberflutung reagiert der Mensch mit Abstumpfung.
Manchmal wünsche ich mir, die Zeit etwas zurückdrehen zu können und wieder als frisch infizierter Drachenanfänger in Fanø mit großen Augen am Strand lang wandern zu dürfen.
Wieviel zigtausend Arbeitsstunden hängen dort in der Luft! Wieviel geballte Drachenbaukompetenz sammelt sich dort am Strand!
Nicht, daß ich mich in Fanø langweile, ganz im Gegenteil. Aber es hat sich was im Vergleich zu den ersten Malen schon was im Kopf geändert.
Heute rennt man herum, hakt im Geiste das Gesehene ab und sucht vielleicht noch nach was wirklich Neuem.
Die Standardkonversation bei den Strandläufern lautet dann zwangsläufig auch: "Schon was Neues entdeckt? Nee, ich auch nicht. Höchstens noch eine ganze nette Geschichte bei dem und dem...., aber sonst ?!?"
Aber vielleicht ist es auch ganz gut so. Viele Fanø-Neulinge sitzen zuhause hastig 200 Stunden an der Nähmaschine, um extra für Fanø eine tolle Applikation zu nähen, bloß um dann in Fanø zu entdecken, daß sie eben keiner entdeckt. Diesen Streß sollte man sich sparen.
Man müßte eigentlich mehr Zeit und Ruhe für dieses Fest haben, um es wirklich würdigen zu können.
Manche Leute haben so wenig Zeit zum Gucken, daß sie lieber zwei, dreimal mit dem Auto und der laufenden Videokamera am Strand lang fahren, um sich dann hinterher zu Hause an zugucken, was es in Fanø eigentlich zu sehen gab.
Aber selbst wenn man guten Willens ist und sich vornimmt, am Strand lang zu wandern und jeden Drachen und Drachenbauer zu würdigen - man kommt nicht weit. Hier eine Viertelstunde gefachsimpelt, da eine Stunde alte und neue Freunde begrüßt und noch mal schnell beim Start mitgeholfen - die Zeit geht zu schnell vorbei.
Daher wird vermutlich jeder Fanø-Besucher eine andere Ansicht des Drachentreffens gewonnen haben und folglich stellt jeder Bericht nur ein winziges Segment des tatsächlich Abgelaufenen dar. So ist denn auch mein folgender Bericht zu betrachten.
Fanø 1998
Leider ging die Woche in Fanø diesmal besonders schnell vorbei.Vom Wetter her gab es nichts zu meckern, kein Regen, viel Sonne und fast immer knackiger Wind. Übrigens, das ganze Theater um die angeblich neuen Fähren war scheinbar eine reine Luftnummer, keine Spur von ihnen, und auch nichts vom neuen Landungsteg.
Ich habe mir aber sagen lassen, daß die neuen Landungstege tatsächlich da waren. Sogar die neuen Fähren soll es irgendwo geben. Aber irgendwie habe ich eigentlich immer wieder beim Ankommen das Gefühl, daß in Esbjerg dauernd umgebaut und improvisiert wird, so daß ich diesmal nicht zwischen alt und neu unterscheiden konnte.
Wie gewohnt kamen wir sofort ohne Wartezeiten und Anmeldung auf die Fähre. Bei geschickter Wahl des An- und Abreisetermins gibt es überhaupt keine Probleme, dies sei den Leuten mal gesagt, die sich in dieser Hinsicht Sorgen machen.
Da wir meistens eine Woche vorher ankommen und am Sonntag darauf gegen 9 Uhr früh abfahren, haben wir jedenfalls noch nie an der Fähre warten müssen.
Sonntagmittag angekommen, ging es natürlich nach kurzer Verschnaufpause und dem obligatorischen Kaltstellen der Getränke gleich an den Strand.
Auffällig war, daß diesmal nicht so viele Drachenflieger wie vorheriges Jahr schon eine Woche vorher den Strand dicht machten. Ungünstig war vermutlich, daß in der Woche vor Fanø noch Schulbetrieb war. Viele Familien konnten daher erst am Wochenende anreisen. So konnte man erst am Freitag das gewohnte Fanø-Bild registrieren.
Aber auf diese Weise konnte man gut beobachten, wie viele kleine Grüppchen und Clans ihre eigenen kleinen Minidrachenfeste veranstalteten. Fanø ist daher eigentlich, wie es sich für ein reines Drachentreffen gehört, die Summe aus vielen kleinen Drachenfesten mit fließenden Grenzen.
Wir haben es schließlich auch so gemacht. Man fährt als Neuankömmling so lange am Strand entlang, bis man eine genügend große freie Fläche findet, möglichst weit genug entfernt von allen Nachbarn. Dies wird von Tag zu Tag schwerer, da die Nächte immer länger werden und der Aufstehzeitpunkt immer weiter gegen Mittag rückt. Meistens waren wir gegen 11 Uhr am Strand. Wagenburg rangieren, Windschutz bauen, Sandsäcke füllen - danach sind die Drachen dran.
Sonne, Strand und Wind machen durstig.
Statistisch hat jeder von uns pro Tag 2.5 Liter FLÜSSIGKEIT verbraucht, Softdrinks, Kaffee, Tee oder hochprozentige Getränke nicht mitgerechnet (Sollte uns das zu denken geben? Ich glaube nicht. Da waren viele Gastrationen dabei.) Da wir fast nur Sonnentage hatten, blieb diesmal nichts von unserem mitgebrachten Getränkevorrat bei der Abreise übrig.
Montag war ziemlich ruppiger Landwind (3-4 Bft.), garniert mit einigen absoluten Flauteneinlagen. Zum Glück drehte nachmittags der Wind und kam dann sehr gleichmäßig von der Seeseite, so daß alles, was in der Tasche war (sofern genug Sandsäcke und Leinen vorhanden waren), an den Himmel gesetzt werden konnte. Erst ca. 23 Uhr trieb uns der Hunger nach Hause.
Dienstag war unser Cody-Tag. Alles, was Cody hieß, mußte bei 5-6 Bft aus den Taschen an den Himmel. Dabei konnten gleich potentielle und tatsächliche Schwachstellen in den Konstruktionen aufgedeckt werden. Bei diesen Windstärken wird kein Fehler verziehen. Zu schwache Waageleinen? Zack, und weg sind sie (mitsamt dem Drachen). Leichte Asymmetrie beim Segelspannen? Wusch, ein eleganter Bogen und schon knallt der Drachen in den Sand, zum Glück neben Menschen und Autos. Bei einer 75cm-Zelle hört nämlich der Spaß auf.
Mittwoch hatten wir sogar 7-8 Bft, eine seltene Gelegenheit, den Strand zwischen Rindby und Fanø-Bad als Einleiner mal fast alleine zu haben.
Ja, WIR waren die Verrückten. Eigentlich wollten wir nur Materialtests veranstalten, einige Drachen bekamen auch gleich die rote Karte, aber zu unserem großem Erstaunen blieb einiges sogar den ganzen Tag oben. Interessant war, daß eine Zweileinermatte, deren Leinen im Abstand von fünfzehn Metern an den Autos befestigt waren, den ganzen Tag absolut stabil senkrecht bei siebeneinhalb Windstärken über uns stand. Zwischendurch gab es an verschiedenen Tagen natürlich auch windstille Zeiten, wo wir sogar die Ultraleichtteile hervor kramen konnten.
Donnerstag bis Sonnabend (wir sind Sonntag früh wieder nach Hause gefahren) war fast immer halbwegs gleichmäßiger Seewind mit optimalen Flugbedingungen angesagt. Hier ließ der Wind keinen Wunsch offen.
An neuen Drachen fielen mir persönlich eine Della-Porta-Variation von Scott Skinner (Moon Swallow), ein Vierleiner aus England (Sky-Dancer), halbkreisförmig mit zwei regenbogenfarbigen Schwänzen, Achim Kinters Original-Sauls-Nachbau (siehe auch Fang den Wind Nr. 42), die neuen Kastendrachen vom Altmeister Karl Dambeck, die Spezial-Cody-Nachbauten von Bob und Chairmaine Umbowers und Gerd Schaller (siehe auch Fang den Wind Nr. 43), auf.
Ansonsten natürlich sehr viel weiteres Neues, aber, wie gesagt, man kann wirklich nicht alles ansehen, wenn man selbst auch fliegen will.
Den offiziellen Teil haben wir größtenteils ausgelassen, nur am Sonnabend mal haben die, die es noch nicht kannten, kurz mal bei der Versteigerung reingeschnuppert.
Ja, das war Fanø. Wie immer sehr kurz und sehr heftig, und Drachenfliegen satt.
Die Original-Sauls-Replik und Achim Kinter himself (siehe auch hier )
Die beiden Codys von Gerd Schaller und Bob Umbowers im Flug (siehe auch hier )
Gerd Schaller und Bob Umbowers - Mein Lamson-Aircurved durfte auch mal Seeluft schnuppern
Karl Dambeck und Holgers von Karl authorisiert gebauter Cody Verbund-Drachen
Eine schöne Kastenkonstruktion - Auch Parafoils vertragen sich mit Willi Kochs Geflecht
Scott Skinners Della-Porta-Variation - Vierleiner Skydancer mit Schwänzen